Naturnahe Grünflächen

„Warum werden die schönen Blumen abgemäht?“

Foto: Birgit Röttering
Foto: Birgit Röttering

 

Warum es ohne Sommermahd keine Wiesen geben kann

 

Sommerzeit ist die Zeit der blühenden Wiesen. Weiße Margeriten, rosenfarbene Malven und blauer Salbei. Prächtig schauen viele Flächen derzeit aus… bis, ja!, bis plötzlich die städtischen Mäher anrücken und die Blütenpracht seufzend dahinsinkt. Viele Menschen möchten von uns wissen, warum gerade in der Zeit der schönsten Wiesenblüte gemäht wird. Handelt es sich um Unkenntnis seitens des Pflegepersonals? Ignoranz? Herzlosigkeit gar? Wird hier für „Unkraut“ gehalten, was in Zeiten des Insektensterbens so dringend benötigt wird?

 

Die einfache, wenn auch für viele Menschen überraschende, Antwort lautet: Weil es nötig ist. Etwas provokanter könnte man gar formulieren: Weil Blumen „darauf stehen“, während der Blüte abgemäht zu werden. Doch halt, immer der Reihe nach: Bevor hier unschuldige Wiesenblümchen zu absonderlichen Gewächsen mit verdächtigen Neigungen erklärt werden, wollen wir einmal die grundlegende Funktionsweise einer Wiese betrachten. Gehen wir dazu einmal in die geistige Hocke und schauen ganz genau hin: Wie tickt eine Wiese?

 

Eine Wiese ist eine scheinbar chaotische Ansammlung verschiedenster Pflanzen, die alle mit- und durcheinander wachsen. Sie alle wollen nach oben, zum Licht. Dort winkt die Energie der Sonnenstrahlung, mit deren Hilfe sich wertvolle Zucker gewinnen lassen. Wer als erster oben ist, hat den Wettlauf gewonnen. Das Problem auf der Wiese ist, dass sich neben den Gräsern und Kräutern auch ganz andere Gewächse an diesem Wettlauf beteiligen: Wir Menschen nennen sie verholzende Pflanzen, also Bäume und Sträucher. Wiesenblumen hingegen würden sie vermutlich als „Spielverderber“ bezeichnen, denn mit ihrem Extrabaustoff Lignin kommen Bäume hoch hinaus, weit höher, als all die bunten Wiesenblümchen es vermögen. Damit werfen sie so viel Schatten auf alles, was unter ihnen zurückbleibt, dass dort nur noch wenige Pflanzen gedeihen können. Aus der Wiese entsteht also früher oder später – Wald.

 

Und hier könnte die Geschichte der Wiese auch schon wieder zu Ende sein, wenn… ja!, wenn es da nicht den unermüdlich ackernden und rackernden Menschen gäbe. Schon früh wurde ihm klar, dass er sein Weidevieh auch im Winter ernähren musste, wenn die Auen und Grasfluren unter Schnee und Eis verborgen lagen. Mit der Sense begann er daher, die blühenden Grasfluren des Sommers zu mähen, das Schnittgut zu Heu zu trocknen und dieses in Scheunen einzulagern. Die früheste Wiesennutzung dieser Art kann bereits für die römische Zeit nachgewiesen werden, zum Beispiel in den Flussauen des Rheins.

Mit dem jährlichen Schnitt im Sommer verbannte der Mensch nach und nach die Bäume und Sträucher von den Grasfluren und erfand damit die kunterbunt blühende Wiese. Dabei stand die Schönheit der Landschaft bei unseren Vorfahren sicher nicht an erster Stelle. Der gewählte Zeitpunkt des Wiesenschnitts richtete sich eher nach handfesten Überlegungen: geeignetes Wetter zur Heutrocknung, ein möglichst hoher Ertrag (ohne Kunstdünger gar nicht so einfach!), und nicht zuletzt die optimale Futterqualität des Grasschnitts für das Vieh waren ausschlaggebend für den richtigen Zeitpunkt der Mahd. Meistens wurde der Sommerschnitt daher im Juni gemacht, just zur Zeit der Hauptblüte vieler Wiesenblumen. Die heutige Sommermahd auf öffentlichen Wiesen richtet sich also in gewisser Weise nach diesem alten traditionellen Rhythmus.

Doch ist das für die Blumen nicht trotz alledem schädlich, fragen sich viele Menschen. Immerhin müssen sie doch Samen bilden, damit im kommenden Jahr die nächste Blumengeneration heranwächst? Wenn sie in der Blüte geschnitten werden, verschwinden sie dann nicht? Der Gedanke ist nicht ganz falsch, er unterschätzt allerdings kolossal die Anpassungsfähigkeit der Natur. Über viele Jahrhunderte hinweg haben unsere mähenden Vorfahren die Wiesenblumen zu einer ganzen Reihe von pfiffigen Adaptionen verleitet. Viele Wiesenblumen wachsen nach der Sommermahd einfach erneut auf, blühen ein zweites Mal und bilden dann im Spätsommer ihre Samen aus. Eine zweite, besonders clevere Gruppe von Blumen hat sich den Trick der Nachreife einfallen lassen: Werden ihre Blüten in einem Stadium abgemäht, in dem sich die Samen bereits gebildet haben, reifen diese im Schnittgut nach und fallen dann heraus, wenn das Heu von der Fläche geholt wird. Wieder andere Blumen sind mehrjährig und müssen sich nicht jedes Jahr versamen. Oder sie vermehren sich über Ausläufer. Oder sie blühen so zeitig, dass ihre Samen zur Sommermahd bereits zu Boden gefallen sind. Oder sie warten mit ihrer Blüte bis nach der Sommermahd und treiben dann im Juli und August triumphierend ihre Stängel empor. Wir sehen also, dass sich der wiederkehrende Eingriff des Mähens durch den Menschen längst in das genetische Erbe der Wiesenblumen eingeschrieben hat.

Der Schnitt im Sommer? Wiesenblumen würden da bloß müde lächeln. Tatsächlich würden sie es eher mit der Angst zu tun bekommen, wenn die Sommermahd einmal ausbliebe. Denn dann würden sich am Ende doch wieder die stärksten Gewächse auf der Wiese durchsetzen und die zierlichen Blümchen verdrängen. Ohne den Schnitt im Sommer verschwinden die blühenden Kräuter nach und nach. Robustere Gewächse wie Brennnessel oder viele Gräser geben dann stattdessen den Ton an. Wird die Wiese jedoch im Sommer geschnitten, treiben die Blumen munter wieder aus und werden über die Jahre immer zahlreicher. Wir haben es also in der Hand: Gräsermeer oder Blütenparadies? Darüber entscheidet allein der Sommerschnitt.

PS: Viele Insekten werden beim Lesen dieser Zeilen nervös mit den Fühlern gewedelt haben. Natürlich sollte bei der Sommermahd auch daran gedacht werden, nicht alles auf einmal zu mähen. Blühende Inseln oder Streifen stehen zu lassen ist in Zeiten des Insektensterbens bitter nötig. Doch so dringend der Insektenschutz auch ist: All die Schmetterlinge, Wildbienen und unzähligen anderen Krabbeltiere haben letzten Ende nichts davon, wenn aus falsch verstandener Tierliebe die Sommermahd auf den Wiesen unterbleibt. Denn: Unterbleibt die Mahd, verschwindet die Vielfalt. Nach und nach, jedes Jahr ein bisschen. Und wenn die Blumen einmal verschwunden sind, kommen sie meist auch nicht mehr zurück. Das heißt dann für die Insekten: leere Teller, und lange Gesichter. So einfach (oder kompliziert) kann Naturschutz sein.

Text: Volker Unterladstetter

Bilder: Birgit Röttering


Stadtwiesen statt Rasen

Dass aus dem „Unkrautfeld“ an der Aachener Straße in Jahr Zwei eine richtige Wiese mit blühenden Blumen werden würde: so richtig daran geglaubt hatten wohl die wenigsten Parkbesucher. Sicher, auf den Infoschildern war es zu lesen gewesen: wir bitten um Geduld. Doch das Warten fiel den Meisten (uns eingeschlossen) schwer. Umso größer ist daher nun die Freude über das weiße Margeritenmeer, das seit Ende Mai 2017 über die Fläche geschwappt ist. 
Natürlich ist auch das Meer aus Margeriten noch keine „richtige“ Wiese. Dazu fehlen vor allem die Gräser, und die Vielfalt der anderen Pflanzen. Margeriten sind klassische Pionierpflanzen, die dann brillieren, wenn Lücken vorhanden sind. Das erklärt den starken Auftritt in diesem Jahr. Dies wird sich in den kommenden Jahren jedoch ändern, wenn die Wiese sich weiterentwickelt. Und wer genau hinschaut, erkennt auch im Weiß schon bunte Tupfer: Natternkopf hat einen starken Auftritt, Witwenblume, Salbei und Malve stehen bereit, um in den nächsten Jahren das Ruder zu übernehmen. Dazu wartet vieles weitere im „Untergeschoss“ der Wiese. Statt Weiß heißt es dann: Bunt. 
Werfen wir dazu einen schnellen Blick auf das, was werden kann: eine junge Wiese nach der Margeritenphase bei Sinzenich, tief draußen in der Börde. Ein Blick von oben zeigt, worauf es ankommt: luftige Strukturen aus Gräsern und Kräutern. Viel Licht fällt bis auf den Boden, die Pflanzen bedrängen sich nicht, sonder wachsen in- und miteinander. Ein harmonisches Bild. 
Die Aachener Wiese wird zweimal jährlich vom Pflegeteam des NABU gemäht, das Mahdgut einige Tage später (wenn es angetrocknet ist) von der Fläche geharkt. Es wird anschließend vom Kölner Amt für Landschaftspflege und Grünflächen abgefahren. Das Wiesenteam von der Aachener freut sich dabei immer über Leute, die mit anpacken wollen. Wir meinen: Es lohnt sich zusammen am Fortbestand der Wiese arbeiten, und nebenbei spielerisch auf Tuchfühlung zu gehen mit den vielen tierischen und pflanzlichen Bewohnern.   


Salbeiwiese,  Foto: Volker Unterladstetter
Salbeiwiese, Foto: Volker Unterladstetter

Die Salbeiwiesen von Ossendorf

Was lange währt, wird endlich besser?

Wenn Naturfreunde heute noch mit Salbei zu tun haben, sind sie wahrscheinlich passionierte Köchinnen oder Köche. Den heimischen Verwandten des Küchen-Salbeis kennen viele Menschen nicht mehr. Dabei war der Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) noch vor einem guten halben Jahrhundert eine der Charakterarten der buntblühenden Wiesen entlang des Rheins, und hat im Sommer Deiche und Auen geschmückt. In Köln hat er sich an einigen Stellen in kleinen Populationen halten können, doch die massiven Veränderungen in den Landschaften hat auch er nicht schadlos überstanden: im Rheinland steht er als Resultat der schonungslosen industriellen Landnutzung als gefährdet auf der Roten Liste. Statt Salbeiblau dominiert heute „Stickstoffgrün“ die verbliebenen Wiesen in Köln.
In ganz Köln? Nein: Im Ossendorfer Bürgerpark gibt es noch ein stattliches Vorkommen von mehreren Hundert Pflanzen. Sie haben sich auf den mageren Böden über der ehemaligen Deponie ansiedeln können und konnten aufgrund der extensiven Pflege trotz Mulchmahd überdauern. Damit dieser Bestand erhalten bleibt, hat der NABU nun mit der Stadt eine ökologische Pflege der Teilflächen vereinbart. Ziel ist dabei nicht nur ein Schutz der bestehenden Pflanzen, sondern die gezielte Entwicklung hin zu einer artenreichen Stromtalwiese, wie es sie vor gut 50 Jahren entlang des Rheins noch vielfach gab.
Der Wiesen-Salbei steht hierbei stellvertretend für eine ganze Reihe selten gewordener Pflanzen der Wiesen und Weiden (in diesem Fall die trockene Ausprägung der Glatthaferwiesen). Manche dieser Arten fristen in Köln an abgelegenen Reliktstandorten ein prekäres Dasein – und könnten bei Eingriffen in den Standort schnell Geschichte sein. Solche Reliktarten sollen in den kommenden Jahren auf den „Ossendorfer Salbeiwiesen“ angesiedelt werden, quasi als eine Art „Backup“ der Kölner Wiesenvielfalt.
Der NABU möchte die Entwicklung der Salbeiwiesen nicht nur begleiten, sondern aktiv gestalten. Dazu werden in den kommenden Jahren neben der Spätsommermahd Teilbereiche selektiv im Frühjahr gemäht und Saatgut von autochthonen Pflanzensippen eingebracht. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich bei der Wiesenentwicklung einzubringen.  


Insektenschwund

von Hubert Sumser

Foto: Volker Unterladstetter
Foto: Volker Unterladstetter

„Dramatische Insektenverluste“ oder ähnlich lauten die Schlagzeilen in der deutschen und internationalen Presse. Über 27 Jahre hatten Mitglieder des entomologischen Vereins Krefeld mit einer von ihnen entwickelten standardisierten Methode die Biomasse der Fluginsekten vor allem in Naturschutzgebieten NRWs gemessen. So konnte zum ersten Mal quantitativ bestimmt werden, wie hoch die Verluste in diesem Zeitraum waren. Biomathematiker der Universität Nimwegen werteten die ermittelten Daten und Daten aus England weiter aus. Um 76 % ging die gewogene Biomasse zurück, in den Sommermonaten sogar um 82 %. Die Ursachen konnten nicht nachgewiesen werden. Klimaerwärmung, Biotopmanagement und veränderung konnten als ins Gewicht fallende Ursachen von den Forschern ausgeschlossen werden. Die Ursachen müssen in weiteren Forschungen belegt werden.
Der Link zur Veröffentlichung:
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0185809
B
Die Folgen
Hier einige kurze Stichworte dazu:
– Brauchen wir wirklich Insekten?
Insekten stehen im Zentrum von Lebensgemeinschaften, die Pflanzen, Bodenleben, Vögel und andere Tiere, auch Menschen umfassen. Die Insekten leben von Pflanzen und umgekehrt funktioniert Pflanzenleben nicht ohne sie. Ohne Insekten sind die meisten Vögel, Pflanzen und Kleinsäuger zum Aussterben verurteilt – und wir vielleicht auch. 
– Funktionsverlust
In unserer üblichen Sichtweise betrachten wir Tiere, Pflanzen und andere Lebewesen immer vereinfacht als einzelne Arten. Das verstellt uns aber den Blick auf das wirkliche Leben der Natur und hindert uns, die Natur
zu verstehen. Ein Beispiel: Alle Pflanzen leben mit Pilzen, Bakterien, Bodenlebewesen, Insekten und anderen Tieren in Lebensgemeinschaften, in denen sie untereinander verbunden und von einander abhängig sind.
Durch das Verschwinden einzelner Arten wird das Zusammenwirken in der Lebensgemeinschaft unmöglich. Die Lebensgemeinschaft zerfällt, ihre Funktion in der Natur erlischt. Das führt zu sogenannten Kaskadeneffekten, in denen das Erlöschen einer Funktion das erlöschen mehrerer anderer Funktionen nach sich zieht.
Auch wir sind vom Funktionieren möglichst vieler Lebensgemeinschaften in der Natur abhängig, auch wenn wir es nicht unmittelbar sehen können. Sterben die Insekten oder andere Gruppen von Organismen aus, wird am Ende auch der Mensch nicht überleben können.
– Artenvielfalt (Biodiversität)
Alle Lebensgemeinschaften in der Natur erfüllen wichtige Funktionen für die Gesamtheit der Natur und die Grundlagen allen Lebens.
Je mehr Arten es gibt, um so mehr Funktionen kann die Natur erfüllen.
Je weniger Arten es gibt, um so bedrohter sind unsere Lebensgrundlagen.
– Verinselung
In einer naturfeindlichen Umgebung von Intensiv-Landwirtschaft und Stangenwald-Forsten sind Naturschutzgebiete kleine Inseln, in denen viele Arten geschützt überleben. Die Isolation der Arten verhindert genetischen Austausch und lässt ihre genetische Vielfalt verarmen. Damit scheitert die ständige Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen.
Die Arten sind unter diesen Bedingungen langfristig nicht überlebensfähig, selbst wenn keine andern Faktoren sie beeinträchtigen würden.
C     
An diesen Verlusten sind vermutlich viele Faktoren beteiligt. Als unsere Städte im Smog der Industrialisierung versanken, schien uns die Landschaft draußen mit ihrer bäuerlichen Landwirtschaft noch als paradiesischen Natur – das Gegenteil zur Verseuchung unserer Umwelt. Es war aber eine Illusion, dass die Landwirtschaft von den Umwälzungen in den Produktions- und Lebensverhältnissen verschont bleiben würde. Augenfällig für uns sind die Veränderungen, die die heutige Landwirtschaft in unserer Landschaft hervorruft. Landwirtschaft ist nur ein Teil der gesamten Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Alle diese Veränderungen haben einen erheblichen Anteil an strukturellen Vor – oder Nachteilen für die Natur. Die Rahmenbedingungen, unter denen Landwirte, auch Bio-Landwirte, heute wirtschaften, sind von der Gesellschaft gesetzt, von der Politik, vom Handel und von der Industrie. Landwirte erzeugen heute unter diesen Vorgaben mit hoher Fachkenntnis und viel persönlichem Einsatz Lebensmittel in der Qualität und Menge, die die Gesellschaft verlangt. Dennoch oder gerade deswegen kann es kein Fehler sein, zu benennen, wie sich das auf die Natur auswirkt, ohne zu vergessen, dass andere Faktoren, wie Industrie, Energieerzeugung, Verkehr und Zersiedelung möglicherweise größeren Einfluss haben. Manches davon scheint heute unverzichtbar, aber nicht alles. Landwirte sind die Fachleute, die benennen könnten, was kurzfristiger verändert werden könnte. Ohne finanziellen Ausgleich machen Änderungswünsche allerdings keinen Sinn. Auch die heutige Landwirtschaft hat positive Effekte auf die Natur, die nicht außer acht gelassen werden dürfen, z. B. dass die Landwirtschaft einen Hauptanteil an der Offenhaltung unserer Landschaft hat, eine wichtige Voraussetzung für Artenvielfalt.